In unserer Pfarre hat das Pfingstfest auch heuer wieder ein Thema bekommen, welches lautet: Komm, Heiliger Geist, aber lass alles wie es ist. Verschiedene Schwestern und Brüder unserer Gemeinde haben in diesen Tagen ein Glaubenszeugnis zu diesem Thema gegeben. Jetzt, bei dieser Messe darf ich das tun.
Die meisten von uns kennen die guten alten Filme mit Don Camillo, jenem Pfarrer der in ganz besonderer Weise mit dem Gekreuzigten spricht und – im Film auch immer hörbar – von Jesus Antworten erhält, woraus sich oft recht witzige aber durchaus tiefsinnige Dialoge ergeben. Als Don Camillo eines Tages wieder Stress hat, mit seinem Widersacher, dem kommunistischen Bürgermeister Peppone, läuft er in seiner Kirche aufgeregt vor dem Kreuz auf und ab. Wütend, verärgert und fast vorwurfsvoll klagt er dem Gekreuzigten sein Leid. Jesus antwortet mit einem einfachen aber entwaffnenden Satz. Er sagt: Die Welt ist noch nicht fertig, Don Camillo. - Die Welt ist noch nicht fertig.
Wahrlich: Fertig - das ist die Welt wirklich nicht. Nicht im Großen, wenn wir hinausblicken und Krieg und Terror sehen müssen. Nicht im Kleinen, wenn wir uns in unserer Stadt umsehen, oder in unserer Kirche, unserer Pfarre, oder an unseren Arbeitsplätzen, oder bei unseren Beziehungen, Familien, Freundschaften und Bekanntschaften. – Da gibt es noch viel zu tun. Die Welt ist noch nicht fertig.
Jesus Christus hat uns das Reich Gottes verheißen. Damit hat er uns nicht auf ein Irgendwann, auf das Jenseits vertröstet. Nein, dieses Reich Gottes entsteht heute mitten unter uns, überall dort, wo die Liebe Gottes erfahrbar wird, in welcher Form auch immer. Dieses Reich Gottes ist aber weit davon entfernt, fertig zu sein. Es ist bestenfalls eine Baustelle. Erlauben sie mir, das Bild einer Baustelle zu verwenden: Jesus hat uns – als er zu Christi Himmelfahrt gegangen ist – eine Baustelle zurückgelassen.
Das dürfen wir Jesus aber nicht vorwerfen – wie es Don Camillo macht –, denn er ist nicht sorglos gegangen. Er hat uns zuvor ein festes Fundament gesetzt, auf das wir aufbauen können. Und er lässt uns keineswegs alleine. Er verspricht uns den Geist Gottes, die Hilfe des Heiligen Geistes. Um diesen Geist beten wir in diesen Tagen. Diesen Geist feiern wir heute.
Wer oder was ist der Geist Gottes? In Firmvorbereitung und Jugendpastoral unserer Pfarre ist der Heilige Geist immer wieder ein Thema, aber ein sehr schwieriges. Denn von Gott-Vater und dem Sohn Jesus Christus hat man eine Vorstellung. Schwieriger ist es mit der dritten Person der Dreifaltigkeit, dem Heiligen Geist. Wer ist der Geist Gottes? Was er sicher nicht ist - und jetzt kommen ein paar schräge Vergleiche: Der Heilige Geist ist kein Konservierungsmittel, damit alles so bleibt wie es ist. Er ist auch sicher kein Heinzelmännchen. In der Meinung, dass Gott ohnehin auch auf krummen Zeilen gerade schreibt und dass der Geist sowieso weht wo er will, die Hände in den Schoß zu legen und zu warten, dass sich Dinge von selber erledigen, dazu – glaube ich – steht der Heilige Geist nicht zur Verfügung. Der Heilige Geist steht für Veränderung, für Aufbruch, für Bewegung. Er ist konstruktiv. Er begleitet und leitet, und wenn auch der Weg sich dann anders gestaltet als vorhergesehen, so führt er letztendlich doch zum Ziel. Er motiviert, gibt Mut, gibt Kraft und Ausdauer und lässt Fähigkeiten erkennen, von denen man vorher nicht geahnt hätte, dass man sie hat.
Im letzten Jahr konnte ich das Wirken des Heiligen Geistes auf besondere Weise erleben:
Im Jahr 2003 fanden in Wien 6 Jugendmessen statt, allesamt bekannt geworden unter dem Namen ›find•fight•follow‹. Es waren Gottesdienste in einer modernen, in Österreich noch nie da gewesenen Form. Vielleicht haben Sie von diesen Messen gehört: Fernsehen, Radio und Zeitungen haben im Laufe des Jahres immer wieder berichtet. Denn für die Medien war ein Detail außergewöhnlich und daher berichtenswert: Die Kirchen waren voll mit Menschen, bis in die kleinsten Nischen. Auch Fußböden und der Chor wurden belagert. Und leider mussten auch einige Leute vor der Kirche feiern. Zum ersten Gottesdienst kamen 1.300 Menschen, beim letzten Gottesdienst am 8. Dezember bedurfte es der zweitgrößten Kirche Wiens, der Kirche am Mexikoplatz: Rund 3.500 Menschen haben diese gefüllt. Freilich sind das nur Zahlen, aber diese Zahlen zeugen von der überwältigenden Begeisterung.
Was aber war das besondere an diesen Gottesdiensten, das so viele vorwiegend junge, aber auch ältere Menschen in die Kirche Pilgern ließ? Waren es die Nebelschwaden und die Lichteffekte der vielen verschiedenfärbigen Scheinwerfer, die dem Kirchenraum eine so einzigartige Stimmung verliehen? Oder war es die 10.000 Watt-Lautsprecheranlage, die vielleicht an ein Pop Konzert erinnerte? Oder waren es die prominenten Priester und Bischöfe – wie zum Beispiel Weihbischof Krätzl oder Monsignore Helmut Schüller – die diesen Gottesdiensten vorstanden. Oder war es die große Zahl der Mitfeiernden? All das sind Äußerlichkeiten, die auch wichtig und unverzichtbar zum Gelingen eines Festes sind, aber das besondere war etwas Anderes.
Das besondere an diesen Messen bestand darin, dass die Menschen mit ihren Ausdrucksformen und mit ihrer eigenen Kultur ernst genommen wurden. Gott wurde gelobt und gepriesen mit einer Musik der heutigen Zeit, der heutigen Menschen. Gesprochen und gebetet wurde in einer Wortwahl, die wir auch sonst verwenden und die wir auch verstehen können. Hier wurde nicht Messe gefeiert weil Sonntag ist und weil man am Sonntag zur Messe geht. Die einzelnen Teile der Messen wurden zu keiner Zeit gemäß einem Programm abgehandelt, erfüllt. Jeder einzelne Teil dieser Gottesdienste wurde hinterfragt, gegebenenfalls neu gestaltet und ganz bewusst, glaubhaft und authentisch begangen.
find•fight•follow ist ein Aufbruch, wie wir ihn in Österreich noch nicht erleben durften. Eine kleine Gruppe hatte die Vision, auf eine neue Art Messe zu feiern, auf eine neue Art Gottesbegegnung zu erleben. Man hat sich getraut, hat es gewagt und mit großem personellen Aufwand und mit finanziellem Risiko vor einem Jahr diesen Weg begonnen. Zuletzt waren es schon 300 Mitarbeiter, die sich dieser Sache angeschlossen haben. Die Nachricht von den vollen Kirchen hat auch Kardinal Schönborn auf den Plan gerufen, der die find•fight•follow-Messgemeinde nun gebeten hat, in den Stephansdom zu kommen: Am 20. November wird dort der nächste Gottesdienst dieser Art stattfinden. 10.000 Menschen werden erwartet, die Vorbereitungen laufen schon und die Vorfreude zeigt sich wieder mal als die schönste Freude. Aber es ist nicht wichtig, ob 20, 200 oder 2000 Menschen gemeinsam Messe feiern. Was besonders schön ist: find•fight•follow schlägt nun Wellen, hinaus in die Pfarrgemeinden. In vielen Pfarren hat man Mut bekommen, ähnliches daheim in der eigenen Pfarre zu probieren.
Ich habe Ihnen von diesen Gottesdiensten erzählt, weil ich meine, dass dieser Aufbruch eine gute Nachricht ist, die man weitertragen sollte. Und weil ich ganz sicher bin, dass dieser Aufbruch eine Frucht des Hl. Geistes ist. Menschen haben sich was getraut, damit es nicht so bleibt wie es ist.
Wenn ich zum Pfingstfest, dem Geburtstagsfest der Kirche, etwas wünschen darf, dann wünsche ich dieser Welt, dass viele Christen immer wieder aufs Neue auf der Baustelle des Reiches Gottes zupacken, Aufbrüche wagen und sich dabei dem Heiligen Geist anvertrauen.
Dabei dürfen wir uns stets in der Hand Gottes wissen. Und an jene Worte denken, die uns Jesus am Ende des Matthäus-Evangeliums zuruft:
Seid gewiss, ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt.